Besteuerung eines durch Erbanfall erworbenen Pflichtteilsanspruchs – Pflichtteilsanspruch als Geldanspruch – Besteuerung mehrerer Erwerbe in einem Bescheid
Leitsätze
Ein vom Erblasser nicht geltend gemachter Pflichtteilsanspruch gehört zum Nachlass und unterliegt beim Erben der Besteuerung aufgrund Erbanfalls. Auf die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs durch den Erben kommt es nicht an.
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Finanzgerichts München vom 3. April 2013 4 K 1973/10 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
I.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Alleinerbe nach seinem im September 2008 verstorbenen Vater (Erblasser –E–). E hatte mit seiner im April 2008 vorverstorbenen Ehefrau (EF) im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt und sein Erbe nach dem Tod der EF ausgeschlagen.
Am 16. Januar 2009 machte der Kläger den infolge der Erbausschlagung entstandenen Pflichtteilsanspruch des E am Nachlass der EF in Höhe von 400.000 EUR geltend.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) setzte gegen den Kläger zuletzt mit Änderungsbescheid vom 2. Dezember 2009, ausgehend von einem steuerpflichtigen Erwerb von 2.601.072,05 EUR, Erbschaftsteuer in Höhe von 455.240 EUR auf den Todeszeitpunkt fest. Auf den hiergegen erhobenen Einspruch erhöhte das FA nach einem entsprechenden Verböserungshinweis die Erbschaftsteuer durch Einspruchsentscheidung vom 26. Mai 2010 auf 531.373 EUR. Dabei rechnete es u.a. den vom Kläger geltend gemachten Pflichtteilsanspruch in Höhe von 400.000 EUR dem erbschaftsteuerrechtlichen Erwerb hinzu. Dies begründete das FA damit, dass die Erbschaftsteuer für den durch den Kläger als Gesamtrechtsnachfolger des E geltend gemachten Pflichtteil gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) erst mit der Geltendmachung am 16. Januar 2009 entstanden sei. Im vorliegenden Fall gehe es jedoch nicht um die Besteuerung des Pflichtteils des E nach der EF, sondern um den Nachlass des E, der auf den Kläger übergegangen sei.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, der Pflichtteilsanspruch des E sei Bestandteil des auf den Kläger übergegangenen Nachlasses. Der Kläger unterliege der Erbschaftsteuer allein wegen des Erwerbs durch Erbanfall (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 1. Alternative ErbStG). Die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs sei zwar Voraussetzung für die Besteuerung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 3. Alternative ErbStG, nicht aber für die Berechnung der Bereicherung im Falle eines Erwerbs von Todes wegen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 1. Alternative ErbStG. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2013, 1154 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Diese Norm sei nach Sinn und Zweck so auszulegen, dass ein Pflichtteil immer erst mit seiner Geltendmachung der Besteuerung unterliege. Der Erwerb des Pflichtteilsanspruchs durch ihn –den Kläger– nach § 1922 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) habe nicht bereits mit dem Tode des E der Erbschaftsteuer unterlegen, sondern erst bei Geltendmachung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 3. Alternative ErbStG. Eine zweimalige Besteuerung eines Anspruchs komme nicht in Betracht. Der angefochtene Erbschaftsteueränderungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung sei nichtig, weil er die Steuer nicht auf die unterschiedlichen Steuerentstehungszeitpunkte für den Erwerb aufgrund des Erbanfalls und den Erwerb des geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs aufgliedere.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und den Erbschaftsteueränderungsbescheid vom 2. Dezember 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. Mai 2010 dahingehend zu ändern, dass die Erbschaftsteuer auf 455.373 EUR herabgesetzt wird.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das FG hat zu Recht entschieden, dass ein vom Erblasser nicht geltend gemachter Pflichtteilsanspruch beim Erben der Besteuerung aufgrund Erbanfalls nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 1. Alternative ErbStG unterliegt. Auf die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs durch den Erben kommt es nicht an.
Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG unterliegt der Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer. Als Erwerb von Todes wegen gilt nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Erwerb durch Erbanfall (§ 1922 BGB), durch Vermächtnis (§§ 2147 ff. BGB) oder aufgrund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs (§§ 2303 ff. BGB). Erbanfall ist der Übergang der Erbschaft auf den oder die Erben (§ 1942 BGB). Nach § 1922 i.V.m. § 1942 BGB geht das vererbbare Vermögen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge als Ganzes auf den oder die Erben über, d.h. der Erbe oder die Erben (Erbengemeinschaft) treten umfassend in die Rechtsposition des Erblassers ein (Fischer in Fischer/Jüptner/ Pahlke/Wachter, ErbStG, 5. Aufl., § 3 Rz 100).
Maßgebend für die Bestimmung, welche Vermögensgegenstände am Stichtag dem Vermögen des Erblassers zuzuordnen sind und als Nachlassvermögen auf den oder die Erben im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergehen, ist allein das Zivilrecht. Eine wirtschaftliche Betrachtungsweise ist insoweit ausgeschlossen. Dies folgt bereits aus der ausdrücklichen Verweisung in § 3 Abs. 1 Nr. 1 1. Alternative ErbStG auf § 1922 BGB (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 15. Oktober 1997 II R 68/95, BFHE 183, 248, BStBl II 1997, 820; BFH-Beschluss vom 23. Januar 1991 II B 46/90, BFHE 163, 233, BStBl II 1991, 310; Meincke, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 16. Aufl., § 10 Rz 14a; Weinmann in Moench/ Weinmann, § 10 ErbStG Rz 8a; Szczesny in Tiedke, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, § 10, Rz 10; Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 10 Rz 16; Schuck in Viskorf/Knobel/Schuck/Wälzholz, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, 4. Aufl., § 10 ErbStG Rz 5; Jochum in Wilms/Jochum, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, § 10, Rz 33; Jochum in Götz/ Meßbacher-Hönsch, eKomm, Bis 30. Juni 2016, § 10 ErbStG Rz 33 –Aktualisierung vom 10. November 2016–; R E 12.2 Abs. 2 Satz 1 der Erbschaftsteuer-Richtlinien 2011).
Auch ein vom Erblasser nicht geltend gemachter Pflichtteilsanspruch gehört zum Nachlass.
Nach § 2303 Abs. 1 Satz 1 BGB kann ein Abkömmling des Erblassers, der durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen ist, von dem Erben den Pflichtteil verlangen. Das gleiche Recht steht den Eltern und dem Ehegatten des Erblassers zu, wenn sie durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen sind (§ 2303 Abs. 2 Satz 1 BGB). Der Pflichtteil besteht in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils (§ 2303 Abs. 1 Satz 2 BGB).
Der überlebende Ehegatte, der die Erbschaft ausschlägt, kann neben dem Ausgleich des Zugewinns den Pflichtteil auch dann verlangen, wenn dieser ihm nach den erbrechtlichen Bestimmungen nicht zustände (§ 1371 Abs. 3 1. Halbsatz BGB). Dem die Erbschaft ausschlagenden Ehegatten bleibt somit im Falle des gesetzlichen Güterstands das Pflichtteilsrecht erhalten. Durch diese Regelung wird dem Umstand Rechnung getragen, dass der überlebende Ehegatte ein schutzwürdiges Interesse an der Ausschlagung haben kann. Er soll in seiner Entschließung, ob er die Erbschaft mit erhöhtem gesetzlichen Erbteil oder den Ausgleich des Zugewinns zusammen mit dem Pflichtteil wählen will, frei sein (Palandt/Brudermüller, Bürgerliches Gesetzbuch, 76. Aufl., § 1371 Rz 19).
Der Pflichtteilsanspruch ist ein Geldanspruch (Urteil des Bundesgerichtshofs –BGH– vom 1. Oktober 1958 V ZR 53/58, Neue Juristische Wochenschrift –NJW– 1958, 1964; Palandt/ Weidlich, a.a.O., § 2303 Rz 7), der nach § 2317 Abs. 1 BGB bereits mit dem Erbfall als Vollrecht entsteht und von da an zivilrechtlich zum Vermögen des Pflichtteilsberechtigten gehört (vgl. BGH-Urteil vom 8. Juli 1993 IX ZR 116/92, BGHZ 123, 183), und zwar unabhängig davon, ob er gegen den oder die Erben geltend gemacht wird (vgl. Hülsmann in Wilms/Jochum, a.a.O., § 3 Rz 147). Der Pflichtteilsanspruch ist zwar nur unter den Voraussetzungen des § 852 Abs. 1 der Zivilprozessordnung, d.h. bei vertraglicher Anerkennung oder Rechtshängigkeit pfändbar, so dass ein Pfändungsgläubiger dem Pflichtteilsberechtigten die Geltendmachung des Anspruchs nicht aufzwingen kann (vgl. BGH-Urteil vom 6. Mai 1997 IX ZR 147/96, NJW 1997, 2384). Der bereits mit dem Erbfall zivilrechtlich entstandene Pflichtteilsanspruch ist jedoch nach § 2317 Abs. 2 BGB vererblich und übertragbar und gehört somit beim Ableben des Pflichtteilsberechtigten zu dessen Nachlass. Der Erbe des Pflichtteilsberechtigten kann den durch Erbanfall erworbenen Pflichtteilsanspruch geltend machen, selbst wenn der verstorbene Pflichtteilsberechtigte dies persönlich zu Lebzeiten unterlassen hatte (so auch Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz 211.1; Hülsmann in Wilms/Jochum, a.a.O., § 3, Rz 154).
Die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs ist bei einem ererbten (derivativen) Pflichtteilsanspruch für die Besteuerung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 1. Alternative ErbStG –anders als beim originären Pflichtteilsanspruch des Pflichtteilsberechtigten nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 3. Alternative ErbStG– nicht erforderlich.
Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 3. Alternative ErbStG gilt ein Pflichtteilsanspruch erst dann als Erwerb von Todes wegen, wenn er (vom Pflichtteilsberechtigten) geltend gemacht wird. Dem bloßen zivilrechtlichen Entstehen des Anspruchs auf einen Pflichtteil mit dem Erbfall (§ 2317 Abs. 1 BGB) kommt erbschaftsteuerrechtlich im Rahmen der Besteuerung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 3. Alternative ErbStG noch keine Bedeutung zu.
Damit weicht das Erbschaftsteuerrecht vom Zivilrecht (Anfallprinzip) ab. Dieses zeitliche Hinausschieben der erbschaftsteuerrechtlichen Folgen eines Pflichtteilsanspruchs ist im Interesse des Berechtigten geschehen und soll ausschließen, dass bei ihm auch dann Erbschaftsteuer anfällt, wenn er seinen Anspruch zunächst oder dauerhaft nicht erhebt (vgl. BFH-Urteil vom 19. Februar 2013 II R 47/11, BFHE 240, 186, BStBl II 2013, 332, Rz 11, m.w.N.). Damit wird die Entschließungsfreiheit des Pflichtteilsberechtigten respektiert und zugleich der Tatsache Rechnung getragen, dass der Pflichtteil nicht –anders als die Erbschaft (§ 1942 Abs. 1 BGB) oder ein Vermächtnis (§ 2180 Abs. 1 BGB)– ausgeschlagen, der Rechtsanfall also nicht rückwirkend beseitigt werden kann (vgl. Weinmann in Moench/ Weinmann, a.a.O., § 3 ErbStG Rz 118; Gebel in Troll/Gebel/ Jülicher, a.a.O., § 3 Rz 224; Hülsmann in Wilms/Jochum, a.a.O., § 3 Rz 159). Die „Geltendmachung“ des Pflichtteilsanspruchs besteht in dem ernstlichen Verlangen auf Erfüllung des Anspruchs gegenüber dem Erben. Ist dies geschehen, entsteht die Erbschaftsteuer für den Erwerb des Pflichtteilsanspruchs (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 3. Alternative ErbStG) nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG mit dem Zeitpunkt der Geltendmachung (BFH-Urteil in BFHE 240, 186, BStBl II 2013, 332, Rz 12).
Diese erbschaftsteuerrechtliche Besonderheit nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 3. Alternative ErbStG i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG, wonach der Erwerb des Pflichtteilsanspruchs nur bei dessen Geltendmachung durch den Pflichtteilsberechtigten der Erbschaftsteuer unterliegt, gilt nicht für den Erwerb eines Pflichtteilsanspruchs durch Erbanfall (derivativer Erwerb). Für diesen Erwerb entsteht die Steuer nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 1. Alternative i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG bereits mit dem Tode des Pflichtteilsberechtigten, ohne dass es auf die Geltendmachung des Anspruchs durch dessen Erben ankommt.
Der Wortlaut des Gesetzes fordert lediglich für die 3. Alternative des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG eine „Geltendmachung“ des Pflichtteilsanspruchs.
Dem Sinn und Zweck der Vorschrift ist ein über den Wortlaut der Norm hinausgehendes Erfordernis der „Geltendmachung“ nicht zu entnehmen. Rechtfertigung für das zeitliche Hinausschieben der Besteuerung eines originär erworbenen Pflichtteilsanspruchs ist u.a. die Entschließungsfreiheit des Pflichtteilsberechtigten. Wegen der aufgrund der Anspruchsvoraussetzungen in § 2303 BGB notwendigen familiären Verbundenheit zwischen dem Erblasser und dem Pflichtteilsberechtigten soll letzterem die Entscheidung darüber vorbehalten sein, ob er den originär erworbenen Pflichtteilsanspruch gegen den oder die Erben durchsetzen will. Verstirbt jedoch der Pflichtteilsberechtigte, ohne dass er zu Lebzeiten seinen Pflichtteilsanspruch geltend gemacht hat, besteht das den Pflichtteilsanspruch begründende persönliche Näheverhältnis nicht mehr. Unerheblich ist, ob der Erbe des Pflichtteilsberechtigten zu dem Verpflichteten ebenfalls in einem vergleichbaren Näheverhältnis steht.
Der Umstand, dass ein Pflichtteilsanspruch –anders als eine Erbschaft oder ein Vermächtnis– nicht ausgeschlagen werden kann, steht dieser Gesetzesauslegung nicht entgegen. Der ererbte (derivative) Pflichtteilsanspruch ist Teil des Nachlasses, der auf den Erben nach § 1922 BGB übergeht. Dem Erben steht es frei, die Erbschaft nach § 1942 Abs. 1 BGB auszuschlagen und damit den Rechtsanfall –einschließlich des erworbenen Pflichtteilsanspruchs– insgesamt rückwirkend zu beseitigen.
Entgegen der Auffassung des Klägers besteht im Rahmen dieser Gesetzesauslegung nicht die Gefahr einer doppelten Besteuerung „eines“ Pflichtteilsanspruchs. Der originär nach den §§ 2303 ff. BGB in der Person des Pflichtteilsberechtigten entstandene und von diesem geltend gemachte Pflichtteilsanspruch wird nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 3. Alternative ErbStG besteuert, während sich die Besteuerung eines nach den §§ 1922, 2303 ff. BGB ererbten (derivativen), durch den verstorbenen Pflichtteilsberechtigten nicht geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs beim Erben nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 1. Alternative ErbStG richtet. Macht der Erbe des Pflichtteilsberechtigten den Pflichtteilsanspruch später geltend, so entsteht dafür keine Erbschaftsteuer. Es kommt somit nicht zu einer doppelten Besteuerung des Erwerbs des Pflichtteilsanspruchs. Die Geltendmachung führt lediglich dazu, dass der Verpflichtete den Pflichtteil gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG als Nachlassverbindlichkeit abziehen kann.
Aus der Entscheidung des BFH in BFHE 240, 186, BStBl II 2013, 332 folgt keine andere Beurteilung. Der diesem Urteil zugrunde liegende Sachverhalt betraf den Fall, dass der Pflichtteilsberechtigte der Alleinerbe des Pflichtteilsverpflichteten ist. Der BFH hat hierzu entschieden, dass trotz des zivilrechtlichen Erlöschens des Pflichtteilsanspruchs infolge der Konfusion erbschaftsteuerrechtlich das Recht des Pflichtteilsberechtigten zur Geltendmachung des Pflichtteils als Folge der Regelung in § 10 Abs. 3 ErbStG bestehen bleibt. Dieser Entscheidung ist nicht zu entnehmen, dass auch der ererbte Pflichtteilsanspruch unter § 3 Abs. 1 Nr. 1 3. Alternative ErbStG fällt.
Nach diesen Grundsätzen ist das FG im Streitfall zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass der ererbte Pflichtteilsanspruch in Höhe von 400.000 EUR der Besteuerung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 1. Alternative ErbStG unterliegt und daher dem Erwerb des Klägers hinzuzurechnen ist.
Der vom FA erlassene Erbschaftsteueränderungsbescheid vom 2. Dezember 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. Mai 2010 ist –entgegen der Ansicht des Klägers– nicht mangels hinreichender Bestimmtheit nichtig i.S. des § 125 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO).
Schriftliche Steuerbescheide müssen inhaltlich hinreichend bestimmt sein (§ 119 Abs. 1 AO) und die festgesetzte Steuer nach Art und Betrag bezeichnen (§ 157 Abs. 1 Satz 2 AO). Werden mehrere Erwerbe (Steuerfälle) in einem Bescheid besteuert, bedarf es neben der genauen Angabe, welche Lebenssachverhalte (Besteuerungstatbestände, Besteuerungszeiträume) besteuert werden sollen, für jeden Steuerfall einer gesonderten Festsetzung der Steuer. Es ist unzulässig, bei mehreren Lebenssachverhalten die verschiedenen Steuerschulden desselben Steuerschuldners in einem Betrag ohne Aufgliederung zusammenzufassen (vgl. BFH-Urteil vom 20. November 2013 II R 64/11, BFH/NV 2014, 716, Rz 28-30, jeweils m.w.N.). Bei der Auslegung des Bescheids ist nicht allein auf dessen Tenor abzustellen, sondern auch auf den materiellen Regelungsgehalt einschließlich der für den Bescheid gegebenen Begründung (vgl. BFH-Urteil vom 22. August 2007 II R 44/05, BFHE 218, 494, BStBl II 2009, 754, Rz 15 f.).
Sowohl aus dem Tenor der Einspruchsentscheidung als auch aus ihrer Begründung ergibt sich, dass das FA von nur einem Steuerfall (Erwerb durch Erbanfall nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 1. Alternative ErbStG) mit einem einheitlichen Steuerentstehungszeitpunkt nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG (Tod des Erblassers) ausgegangen ist. Zwar führt das FA in der Einspruchsentscheidung aus, dass die Erbschaftsteuer für einen geltend gemachten Pflichtteil gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG erst mit der Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs entsteht. Es hat aber zugleich deutlich gemacht, dass es im Streitfall hierauf nicht ankommt, da es ausschließlich um die Besteuerung des auf den Kläger übergegangenen Nachlasses des E geht. Dieses Ergebnis ist nach den oben dargelegten Grundsätzen (II.1.) zutreffend. Eine Aufgliederung der Steuerfestsetzung in mehrere Erwerbe war deshalb nicht geboten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
Quelle: http://bundesfinanzhof.de/entscheidungen/entscheidungen-online