Ein neues Urteil des Bundesfinanzhofs vom 10.05.2017 (Aktenzeichen: II R 25/15) bestraft einen Pflichtteilsverzicht zu Gunsten der Geschwister, wenn dafür eine Abfindung gezahlt wird.
Grundsätzlich kann ein pflichtteilsberechtigter künftiger Erbe oder auch nach dem Erbfall auf seinen Pflichtteil verzichten.
Will ein Pflichtteilsberechtigter zu Lebzeiten des Erblassers auf seinen Pflichtteil verzichten, bedarf dieser Verzicht einer notariellen Beurkundung.
Ein mündlicher Verzicht oder ein privatschriftlicher Verzicht ist nicht wirksam.
Der Bundesfinanzhof hat in dieser neuen Entscheidung allerdings sehr deutlich unterschieden, wann ein entsprechender Verzicht erklärt wird, d.h., noch zu Lebzeiten des Erblassers oder nach dessen Tod und von wem eine Abfindung für den Verzicht bezahlt wird.
In dem konkret zu diesem Aktenzeichen entschiedenen Fall hatte der Kläger noch zu Lebzeiten der Erblasserin auf seinen Pflichtteil zu Gunsten seiner drei Geschwister verzichtet. Diese zahlten ihm dafür jeweils eine Abfindung in Höhe von 150.000,00 €.
Übertragen auf einen künftigen Erbfall sollte man sich vor einem solchen Pflichtteilsverzicht durch einen auf Erbrecht und Erbschaftssteuerrecht spezialisierten Rechtsanwalt (Fachanwalt für Erbrecht) beraten lassen, um nicht eine wesentlich höhere Steuer auszulösen, weil die gewählte Durchführung steuerlich ungünstig ist.
Wendet man nämlich den vom Bundesfinanzhof jetzt entschiedenen Fall an, sehen die Steuerbehörden die Zahlung der 150.000,00 € durch jedes der Geschwister als eine Zuwendung unterGeschwistern und nicht als Zuwendung zwischen Eltern und Kind an.
Darin liegt das steuerliche Problem.
Die neue Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs stellt somit darauf ab, von wem die Abfindung im Falle eines Verzichts gezahlt wird. Wird der Pflichtteilsverzicht von den Geschwistern durch eine Abfindung an den Verzichtenden bezahlt, ist die Steuerklasse 2 mit dem geringen Freibetrag von nur 20.000,00 € je Zahlenden anzuwenden. Dies führt dann dazu, dass der Steuersatz neben dem niedrigen Freibetrag auch noch mindestens 15 % beträgt, ab 75.000,00 € sogar 20 % der Abfindung.
Hätten die Eltern oder hätte das Elternteil, dem gegenüber der Verzicht erklärt worden ist, die Zahlung selbst erbracht, würde jedoch die Steuerklasse 1 und der hohe Freibetrag von heute 400.000,00 € für den Verzichtenden gelten. Dazu wäre ab 400.000,00 € dann der Eingangssteuersatz von 7 % anzuwenden.
Würde man den Pflichtteilsverzicht erst nach dem Erbfall vereinbaren und die Zahlung erst dann erfolgen, würde dieser Verzicht steuergünstiger behandelt, auch wenn die Geschwister zahlen.
Da es bei Pflichtteilsverzicht nicht nur darauf ankommt, möglichst Erbschaftssteuern/Schenkungssteuern zu vermeiden, ist darüber hinaus gerade auch darauf abzustellen, ob rechtliche Voraussetzungen nicht gegen einen Pflichtteilsverzicht sprechen. Viele rechtliche Fragen stehen dabei nämlich zur Beurteilung im Vordergrund.
Will man beispielsweise einen Erbverzicht und Pflichtteilsverzicht oder nur einen Pflichtteilsverzicht? Es kann ein solcher notarieller Verzichtsvertrag gegebenenfalls sittenwidrig sein, weil der Verzicht aufgrund des Missverhältnisses zwischen Abfindung- und Nachlasswert oder möglicherweise den damit in Verbindung stehenden Umständen, unwirksam sein!
Alle diese Fragen – die Steuerlichen und die Rechtlichen – sollten deshalb durch einen Erbrechtspezialisten geprüft werden, bevor man sich auf solche „Abenteuer“ einlässt. Dies gilt für beide Seiten.
Der Verfasser dieses Berichts ist selbst langjähriger Fachanwalt für Erbrecht und zertifizierter Testamentsvollstrecker.