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„Der böse Erbe in Amerika“

Frau U. starb mit 86 Jahren in Mannheim mit beträchtlichem Vermögen. Sie hatte Bankkonten und Depots im Werte von mehr als 500.000,00 € bei ihrer Hausbank und darüber hinaus ein Dreifamilienhaus und das Haus, in dem sie bis zu ihrem Ableben wohnte.

Frau U. war verwitwet und hatte ursprünglich vier Söhne. Ihr jüngster Sohn Peter verliebte sich nach dem Studium in eine junge Amerikanerin, heiratete sie, hatte mir ihr dann den in Deutschland geborenen Sohn John.

Im Laufe der Zeit zog die Familie von Peter in die USA und kehrte auch nicht mehr zurück. Er machte dort Karriere. 3 Jahre bevor Frau U. verstarb ist auch ihr Sohn Peter in den USA verstorben. Der Kontakt zwischen Peter und seinen drei anderen Geschwistern war in den vergangenen 15 Jahren bereits zum Erliegen gekommen. Auch zu seiner Mutter pflegte er nur noch sporadisch hier und da telefonisch Kontakt. Kontakte zwischen dem Enkelsohn John und der Oma bestanden in den letzten 20 Jahren nicht.

Nach dem Tode von Frau U. kümmerten sich die drei in Deutschland lebenden Söhne um den Nachlass. Sehr schnell merkten sie, dass sie an enge Grenzen gestoßen waren. Sie beantragten einen Erbschein und da glücklicherweise John in Deutschland geboren war, hatten sie auch keine Probleme, seine Existenz nachzuweisen. Schwieriger war es jedoch bereits mit dem Ableben ihres Bruders Peter, der in Amerika verstarb. Da es dort keine Standesbehörde gibt mussten sie über das Konsulat Beweise dafür beschaffen, dass er verstorben war. Dies allein dauerte Wochen. Danach stand fest, dass sein Sohn John in seinem Erbstamm nachgerückt war. Nicht klar war jedoch, ob nicht vielleicht noch ein zweites Kind in den USA existierte.

Es begann dann die große Suche, nach der Witwe von Peter. Diese war kooperativ und beschaffte ein Dokument, aus dem der Tod ihres Ehemanns ersichtlich war und gab eine Bestätigung, dass es kein weiteres Kind außer John gab. Mit John hatte sie selbst jedoch auch keinen Kontakt mehr. Sie meinte, er lebte im Süden der USA.

Bis dahin so gut.

Der Erbschein konnte nach längerem Hin und Her erteilt werden. Ein Jahr war bereits vergangen. Bis dahin konnten die Erben nichts Wirkliches erreichen. Sie konnten weder über Bankvermögen verfügen, außer die Bezahlung der Beerdigungskosten. Auch konnten sie sich nicht effizient um Verwaltungsmaßnahmen bezüglich der beiden Häuser kümmern. Schwierigkeiten gab es, die Mieten aus dem Miethaus auf ein neues Konto umzuleiten. Die Bank verweigerte einen Zugriff der Erben auf Kontoguthaben, weil sie die Meinung vertrat, alle vier in dem Erbschein aufgeführten Personen müssten daran mitwirken und zustimmen.

Erst lange Zeit später konnten die Miterben aufgrund umfassender Recherche John ausfindig machen. Er lebte in Florida in guten Verhältnissen, reagierte jedoch auf Schreiben der Erben nicht. Ein Erbe rief ihn an und erhielt die Antwort: Man solle ihn in Ruhe lassen, er habe mit der Familie in Deutschland nichts mehr zu tun. Auch auf den Hinweis, dass er mindestens 300.000,00 Euro geerbt hätte, blieb er dabei.

Es begann für die Erben eine Odyssee, die weitere zwei Jahre dauerte. Die Immobilien konnten auch gegen den Willen des in Amerika lebenden Enkels versteigert werden. Der Versteigerungserlös konnte jedoch zwischen den Beteiligten nicht verteilt werden, weil seine Zustimmung zur Verteilung fehlte. Eine wirksame Verzichtserklärung auf sein Erbe gab er nicht ab. Eine wirksame Vollmacht, dass die anderen Erben über den Nachlass verfügen dürfen, gab er ebenfalls nicht ab. Bis dahin schlummerten große Vermögenswerte unangetastet auf den Bankkonten, über die die Erben nicht verfügen konnten. Erst eine Klage auf Teilung des Nachlasses, an der John ebenfalls nicht mitwirkte, konnte Jahre nach dem Erbfall erreichen, dass die Vermögenswerte im Rahmen einer gerichtlich entschiedenen Erbauseinandersetzung verteilt werden konnten. Der Anteil des Amerikaners wurde dabei hinterlegt.

Die Erben hatten hohe fünfstellige Summen ausgegeben, um dieses Ergebnis überhaupt zu erzielen. Es dauerte mehr als fünf Jahre, um die Erbengemeinschaft nach der verstorbenen Mutter auseinanderzusetzen. Warum?

Eine Erbengemeinschaft kann nur einvernehmlich, d.h. mit Zustimmung aller Erben auseinandergesetzt werden. Dies gilt auch für Verfügungen über Nachlassgelder. Banken berufen sich dann in der Regel darauf, dass alle Erben mitwirken müssen. Einer Teilauszahlung von beispielsweise ¾ stimmt eine Bank oder eine Sparkasse generell nicht zu.

Hätte Frau U. dies anders regeln können? Bei guter Beratung hätte sie den Erbstamm ihres verstorbenen Sohnes, der in Amerika lebte, enterben können und ihm ein Vermächtnis zukommen lassen können. Sie hätte auch einen Testamentsvollstrecker einsetzen können, der die Befugnis hat, den Nachlass zu verwerten und später zu verteilen. Dann hätte es keinerlei Verzögerungen gegeben.

Es gibt also durchaus Lösungen, um derartiges Leiden für Erben zu vermeiden. Nicht immer ist es so einfach, wie es aussieht, wenn man vier Kinder als Erben hat. Wirkt einer bei der Verwaltung bzw. Auseinandersetzung nicht mit, wird es immer schwierig sein.

Dieser Erbfall aus der Praxis zeigt deshalb, wie wichtig es ist, in jeder Lebenssituation auch darüber nachzudenken, was ggf. nach dem eigenen Tod mit dem Vermögen geschieht. Besonderheiten in einer Familie, wie Wegzug ins Ausland, eine Auswanderung eines Abkömmlings oder vollständiger Kontaktverlust machen es unter Umständen dringend notwendig, testamentarisch sichere Regelungen zu finden. Hierzu sollte man immer einen Fachanwalt für Erbrecht aufsuchen, der nicht nur die Theorie kennt, sondern auch mit der Praxis solcher schwierigen Situationen mit Erfahrung umgehen kann.

Fachanwalt für Erbrecht Marwin H. Roth

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