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Überraschende Ausgleichsforderung

Eine außergewöhnliche Situation ergab sich nach dem Tod von Winfried F.

Seine Ehefrau war vor einigen Jahren vorverstorben. Er hinterließ 2 leibliche Kinder.

Sohn Horst war Dipl.-Ing. und hatte sein komplettes Studium während der Bundeswehrverpflichtung bei der Bundeswehr absolviert und seinen Abschluss dort gemacht. Er war 12 Jahre bei der Bundeswehr, hat damit seinen Lebensunterhalt ab dem 19. Lebensjahr alleine bestritten. Unterhaltszahlungen der Eltern waren weder erforderlich, noch gab es solche Leistungen.

Seine Schwester Renate indes ist Lehrerin geworden, hat ein 4-jähriges Studium von den Eltern dahingehend finanziert erhalten, dass sie monatlich 1.000,00 DM, d.h. insgesamt 48.000,00 DM bis zum Ende ihres Studiums als Unterhaltsleistungen erhalten hat.

Nachdem der Vater verstorben ist, kommen beide Kinder in die gesetzliche Erbfolge zu je 1/2. Der Vater hinterließ rund 200.000,00 € Vermögen. Normalerweise hätte folglich jeder der Kinder ½ davon, d.h. 100.000,00 € erhalten. Bei den Erbauseinandersetzungsverhandlungen zwischen Horst und Renate stellte zur Überraschung von Renate ihr Bruder Horst die Forderung auf, dass Renate die Unterstützung der Eltern, die er nicht erhalten hatte, bei der Erbauseinandersetzung berücksichtigen muss.

 

Er stellte folgende Berechnung auf:

Horst ließ sich zuvor durch einen Fachanwalt für Erbrecht beraten, der ihn in seiner Ansicht bestärkte. Gemäß § 2050 BGB sind sogenannte Ausstattungen, die Eltern Kindern haben zukommen lassen, bei der Erbauseinandersetzung später unter Umständen ausgleichspflichtig. Das ist eine komplizierte Materie, führt aber häufig dazu, dass es einen späteren Ausgleich gibt.

Anfang der 90er Jahre hatten die Eltern seiner Schwester 48.000,00 DM zugewandt. Dies müsse auf den heutigen Erbfall indexiert werden, was dann rund 40.000,00 € ausmacht.

Wie der Fachanwalt für Erbrecht, Marwin H. Roth mitteilt, ist auch in einem solchen konkreten Fall, wie hier dargestellt, ein Anspruch auf Ausgleich im Erbfall gegeben. Die Finanzierung eines Studiums durch längere Unterhaltsleistungen für den Studierenden, können als Ausstattung gewertet werden. In einem solchen Fall sind sie dann im Zuge der Erbauseinandersetzung tatsächlich zu berücksichtigen. Wie berechnet man dies?

 

In Konsequenz dieser Regelung würde eine Berechnung jetzt in etwa aussehen wie folgt:

Nachlass 200.000,00 €, fiktive Erhöhung um 40.000,00 € (Leistung an Tochter), fiktiver Gesamtnachlass 240.000,00 €. Hiervon die Hälfte macht 120.000,00 € für jeden.

Jedem würden folglich theoretisch 120.000,00 € zustehen, wovon Renate bereits 40.000,00 € für ihr Studium erhalten hat. Folglich erhält Renate nur noch 80.000,00 €, der Bruder Horst indessen 120.000,00 €. Zusammen ergibt sich wieder 200.000,00 €, die Summe des liquiden Nachlasses.

Auf diese Weise können folglich sogar Studienunterstützungen, die ein Kind von seinen Eltern erhalten hat, später wieder aufgefangen werden, wenn andere Kinder keine Leistungen dieser Art erhalten haben. Bei Horst war dies eindeutig und zweifelsfrei so, da er seit dem 19. Lebensjahr keinerlei Unterhaltsleistungen von den Eltern erhalten hatte.

 

Man sieht an solchen Beispielsfällen, wie sehr sich erbrechtliche Folgen auch bereits während der Jugend entwickeln können. Solche Auseinandersetzungen, gerade wenn es um Ausstattungen oder um Pflegeleistungsausgleich unter Abkömmlingen (§ 2057 a BGB) geht, sind häufig kompliziert, werden übersehen und führen dann zu einer späteren Benachteiligung des Erben, der bereits in der Vergangenheit weniger oder nichts erhalten hat.

Bei jeder Erbauseinandersetzung sind diese Punkte folglich von einem qualifizierten Fachanwalt für Erbrecht zu überprüfen und ggf. in die Regelungen mit einzubeziehen.

 

mitgeteilt durch Rechtsanwalt Marwin H. Roth, Fachanwalt für Erbrecht und Arbeitsrecht und zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT) in Saarbrücken

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